Achtung Achtung!

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VW-Belegschaftsspende fördert erneut zweifelhafte "Beratung" durch Autismus Deutschland

Auch dieses Jahr spendete die Belegschaft der Volkswagenwerke Wolfsburg wieder an unterschiedliche soziale Einrichtungen – darunter 10.000 Euro an Autismus Wolfsburg, einen Regionalverband von Autismus Deutschland. Das Geld wird für die Renovierung und Einrichtung einer neuen "Beratungsstelle" verwendet, was dem Verwendungszweck des letzten Jahres ähnelt.

Bei Autismus Deutschland und seinen Regionalverbänden handelt es sich um eine Organisation, die nach unserem Kenntnisstand in keiner Weise die Interessen von Autisten vertritt, sondern lediglich dazu da zu sein scheint, die Belange von Eltern autistischer Kinder durchzusetzen, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass gesunde Autisten durch Therapien, systematische Ablehnung und widrigste Lebensumstände psychisch kaputt gemacht werden. Autismus Deutschland klärt nach unserem Wissen über diese Probleme eher nur unzureichend auf und praktiziert solche zweifelhaften "Therapie"-Ansätze, deren Ziel es offensichtlich oft ist den Eltern entsprechende Selbstreflektion zu "ersparen", indem ernsthaft und entsprechend heutigen Völkerrechtsverständnisses zeitgemäß zur Thematik Autismus beraten würde. Leider hat eine solche Verdrängung oft zur Folge, daß häusliche Situationen mit Autisten erst richtig eskalieren, was oft neben völlig zerstörten Lebensläufen auch horrende Kosten für die Allgemeinheit nach sich zieht.

Trotz gegenteiliger Behauptungen ist die Wirksamkeit von autismusspezifischen "Therapien" keineswegs bewiesen. Sofern Autisten die Mitgliedschaft bei Autismus Deutschland überhaupt möglich ist, wird ihre Teilhabe durch historisch gewachsene Strukturen und nicht barrierefreie Bedingungen strukturell erschwert oder gar verunmöglicht. Ferner wird die Stimme von autistischen Mitgliedern bei verbandsinternen Abstimmungen meist von der nichtautistischen Mehrheit (Eltern und Personal) überstimmt und dadurch nicht berücksichtigt.

In der Annahme, die Vertreter der Gewerkschaft IG-Metall bei Volkswagen wüssten nicht, was es mit Autismus Deutschland auf sich hat, wurde die Gewerkschaft von der ESH im letzten Jahr über den Verband aufgeklärt. Bis heute hat die ESH keine Antwort auf ihr Anschreiben erhalten, auch auf telefonische und schriftliche Nachfragen wurde nicht reagiert. Die IG-Metall scheint sich nicht darum zu kümmern, dass diese Spende keineswegs den Interessen von Autisten dient, diesen sogar durch das Unterstützen zweifelhafter Therapien schadet und somit ihren Zweck grundlegend verfehlt. Aus unserer Sicht handelt es sich dabei um einen offenen Affront gegenüber der Behindertenbewegung im Allgemeinen und Autisten im Speziellen, welcher sich nur durch Desinteresse, mangelnde Solidarität sowie Ignoranz gegenüber den tatsächlichen Belangen von Autisten erklären lässt. Besonders frappierend erscheint die Tatsache, dass sich die Vertreter von Volkswagen nicht einmal mit Autismus beschäftigt zu haben schienen, so soll Leopold Paeth vom Volkswagen-Personalwesen gemäss Pressemitteilung gesagt haben: "Autismus ist weder erblich noch ansteckend." (Quelle: http://auto-presse.de/autonews.php?newsid=85594 ) – obwohl die Vererbbarkeit von Autismus bereits längere Zeit überwiegender Konsens ist.

Werden Autisten nicht bereits in der Kindheit in den psychischen Abgrund getrieben, so können sie durchaus eigenständig als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft leben und sich ihren Lebensunterhalt in qualifizierten Positionen selbst erwirtschaften. So wäre es durchaus denkbar, dass ein Autist später einmal Ingenieur bei Volkswagen werden könnte. Ferner kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch jetzt – womöglich sogar einige der besten – Mitarbeiter bei Volkswagen Autisten sind und Volkswagen dies nicht einmal bekannt ist. Auch gegenüber diesen möglicherweise vorhanden Mitarbeitern ist die Spende, in die sie ihr Geld investiert haben, ein Affront.

Dass Autisten ihre Interessen eigenständig vertreten können, wurde durch die selbstbestimmte Interessenvertretung von Autisten hinreichend bewiesen. Dennoch vertrauen Entscheidungsträger weiterhin eher auf die Einschätzungen von Autismus Deutschland, auch wenn diese oftmals aus Sicht von Autisten grundlegend falsch sind.

2009 wurde die UN-Behindertenrechtskonvetion von Deutschland ratifiziert. Dadurch hat sich Deutschland unter anderem verpflichtet, behinderten Menschen vollwertige Teilhabe an der Gesellschaft zuzugestehen. Dies beinhaltet auch, dass in Deutschland Gruppierungen behinderter Menschen gleichwertiger Zugang zu relevanten Entscheidungsfindungsprozessen ermöglicht werden muss. Autismus Deutschland bezieht, gemäss den obigen Ausführungen, Autisten nach unserem Kenntnisstand nicht einmal ansatzweise als gleichwertige Partner und Experten in eigener Sache mit ein. Durch diese wiederholte Unterstützung von Autismus Deutschland wurde aus dem Umfeld der Zentrale des Volkswagenkonzerns gezeigt, dass dieses dem eigenen Anspruch an gesellschaftliche Verantwortung nicht gerecht wird. Aus diesem Umfeld von VW als massgeblich staatlich kontrolliertem Unternehmen und der IG-Metall hätten wir diesbezüglich deutlich mehr Sensibilität und Solidarität mit Behinderten erwartet.